Vom scheinbaren Replikat zur Hommage

Ich finde, es gibt zu wenige Replikate in der Kunst. Jede*r will etwas neu machen – der oder die erst*e sein.
Dabei kann mir keine*r erzählen, dass er/sie immer das Rad neu erfunden hat.

Ich finde, es gibt zu wenige Replikate in der Kunst. Jede*r will etwas neu machen – der oder die erst*e sein.
Dabei kann mir keine*r erzählen, dass er/sie immer das Rad neu erfunden hat.
Meine Erfahrung sagt mir, dass Menschen über Imitation lernen. Man macht nach. Menschen beobachteten Vögel, die mit ihren Flügeln flatterten, erkannten, dass man wohl eine Spannweite zum Fliegen braucht und dementsprechend haben sie Flugzeuge gebaut.

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© Mehdi Sepehri – Unsplash

Warum sollte das in der Kunst oder Literatur anders sein?
Ein*e Künstler*in, eine Literat*in beginnt sich für die Materie zu begeistern, in dem sie erst das sieht, oder liest, was sie ergreift, dann entsteht die kreative Unruhe und man beginnt zu malen, bildhauen, fotografieren und/oder zu schreiben. Es dauert dann eine Weile, bis man sich vom Vorbild löst und etwas eigenes entwickelt. Was spricht dagegen, ein Kunstwerk eins zu eins nachzubauen oder noch interessanter: zu verfremden?

Musiker*innen pflegen schon lange diese Tradition. Nichts anderes ist eine Coverversion eines Songs. Gerade auf Konzerten entsteht an dieser Stelle ein erhebender Moment. Der/die Künstler*in kniet musikalisch vor seinem/ihren Vorbild ihrer/seiner Inspiration und interpretiert das Stück neu. Einer meiner Favoriten ist der Song „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Divison, interpretiert von den Swans. Mir gefällt diese Version (ehrlich gesagt) noch besser, als das Original.
In diesem Moment entsteht eine Hommage. Und da ich überzeugter Fan von vielem bin, freue ich mich auch, wenn ich so etwas in der Kunst entdecke.

Hier kommt DOROTHEE GOLZ ins Spiel, die MERET OPPENHEIMs legendäre Felltasse mittels Glasfaser neu interpretiert hat.

Hier das Vorbild FRÜHSTÜCK IM PELZ

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© Silke Tobeler

Meret Oppenheim griff für ihre Werke Alltagssituationen auf, wie z. B. im Werk „Frühstück im Pelz“, bei dem sie den kalt gewordenen Kaffee zum Sujet gemacht hat. Das Werk wurde zu einem der Leitwerke des Surrealismus. Déjeuner en fourrure („Frühstück im Pelz“). 1936, Museum of Modern Art, New York.
Auf diesem Foto seht ihr ein Replikat des Werkes, das mir geschenkt wurde.

Und hier Dorothee Golz:

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© Tim Tobeler

DIESE TASSE IST EINE TASSE, KEINE TASSE
Schon der Titel ist eine Hommage: Ceci n’est pas une pipe– „Das ist keine Pfeife“ nach einem Werk von Renée Magritte aus dem Jahr 1929. Auch ein Surrealist.

Dorothee Golz hat mit ihrer Hommage ein tolles eigenes Werk geschaffen.

Ich bin mir sicher: Meret Oppenheim würde das freuen!

Info (frei nach Wikipedia)
Dorothee Golz *1960 ist eine deutsch-österreiche Künstlerin. Internationale Bekanntheit erreichte Golz 1997 durch die Teilnahme an der documenta X in Kassel, auf der sie die Skulptur Hohlwelt (1996) zeigte. Neben Skulpturen und Kleinplastiken sind Fotografie und Zeichnung ihre wichtigsten Ausdrucksmedien

Meret Oppenheim *1913 – 1985 war eine in Deutschland geborene schweizerische Künstlerin und Lyrikerin. Oppenheim hat die Rolle der Frau als Muse ebenso reflektiert wie das Weibliche im Werk von männlichen Kunstschaffenden.

In einem Gespräch von 1972 äusserte Oppenheim die Devise „Don’t cry, work“. Der deutsche Schriftsteller Rainald Goetz verwendete das Zitat 1983 als Untertitel seines Romandebüts Irre, was es zum geflügelten Wort werden liess.

Auch eine Hommage…

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