Corso – Kunst und Pop

Q Was ist das eigentlich, der weibliche Blick?

Diese Frage wird mir oft gestellt. Und meistens schließen sich weitere Fragen an: Kann man das überhaupt unterscheiden?
Schauen Frauen anders als Männer?
Darum geht es nicht!
Sondern:

A Der weibliche Blick ist eine Haltung!

Female Gaze on Air!

Am 02.02.22 führte der Moderator Adalbert Siniawski für den
Podcast Corso – Kunst und Pop des Deutschlandfunk ein Interview mit mir.

Q Was ist das eigentlich, der weibliche Blick?

Diese Frage wird mir oft gestellt. Und meistens schließen sich weitere Fragen an: Kann man das überhaupt unterscheiden?
Schauen Frauen anders als Männer?
Darum geht es nicht!
Sondern:

A Der weibliche Blick ist eine Haltung!

Vielleicht wird es Zeit mit Legenden aufzuräumen:

1. Der Female Gaze berichtet ausschließlich über Künstlerinnen

Nein. Ich besuche alle Geschlechter: weiblich, divers, männlich. Da ich selbst eine Frau bin und diesen Blog schreibe, ist mein Blick auf die Kunst und Kultur weiblich.

2. Der Female Gaze ist Frauen vorbehalten.

Nein. Auch Männer können den Female Gaze einnehmen. Da wir sowohl weibliche, als auch männliche Anteile in uns tragen, so können wir infolgedessen die Position des anderen verstehen und einnehmen.

3. Der Female Gaze ist biologisch begründet

Nein. Der Female Gaze ist nicht der schlichte Blick einer komplexen Frau. Es ist keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit genderspezifischen Themen, sondern in meinem Verständnis ist der Female Gaze eine ästhetische Suche.
Wenn ich Künstler*innen in ihren Ateliers begegne, mich auf Ausstellungen mit unterschiedlichen Themen und Werken auseinandersetze, frage ich mich nach der Essenz und der Wirkung der Werke und spüre dem Nachhall der Begegnung nach.
Ich transportiere die Eindrücke, die ich gewonnen, das Fazit, das ich gezogen habe über den Blog ins Netz und lasse damit andere an meinem persönlichem Erlebnis teilhaben.
Jeder Mensch wird von einer individuellen Suche in seiner ästhetischen Auseinandersetzung angetrieben. Dem einen geht es um das Material, der anderen um die Farbe. Der nächste wiederum schätzt das Können und die Gewitztheit der Künstler*innen, wohingegen die andere den Marktwert zur Grundlage nimmt. Und so fort.
Für mich ist die weibliche Perspektive wichtig.
Ein Spielfeld, das wir selber gestalten und erforschen können.
Neuland.

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© Ewa Finn

Q Könnte das Werk (in diesem Fall von Ewa Finn, siehe Katalog)  auch von einem Cis-mann kommen? Oder sind Männer auf Gedeih und Verderb gefangen in dem was sie sind?

A Auf keinen Fall! Ich hoffe, dass sich Männer dem Female Gaze anschließen.

Hier könnt Ihr
Female Gaze in der Kunst: „Der weibliche Blick ist eine Haltung“
nachhören.

Der Female Gaze auf Maria und Carmen

Der Female Gaze bezeichnet eine Haltung, die sich konträr zum Male Gaze stellt. Der Begriff des Male Gaze wurde in den 70er Jahren in der Film- und Werbeindustrie bekannt. Gemeint ist, dass in Filmen oftmals Frauen nicht als Hauptdarstellerinnen agierten, sondern das unterstützende Beiwerk des Mannes waren.

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© Silke Tobeler

Im Juni 2022 erreichte mich eine besondere Anfrage. Die Dramaturgin Sabrina Zwach fragte, ob ich einen Female Gaze auf die Marienstatue für die Carmen-Inszenierung in der Hamburger Staatsoper werfen wolle, die der Regisseur Herbert Fritsch in der Oper präsentieren würde.
Da ich ein großes Herz für die Heilige Maria habe (und Devotionalien, Reliquien, sowie alles Sakrale schätze), sagte ich sehr gerne zu.
Daraus ist ein Interview/Essay geworden, der auch mir interessante Einblicke in die Bedeutung der Marienverehrung im modernen Kontext verschaffte.
Veröffentlicht wurde der Text im Programmheft der Oper:

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© Silke Tobeler

Lest selbst:

Der Female Gaze auf Maria und Carmen

Unter dem Aspekt des Female Gaze interessiert es mich sehr, von Ihnen zu erfahren, was ein weiblicher Blick im Kontext der Kunstaneignung ist oder sein kann und wie weibliche Figuren angeblickt werden.

Der Female Gaze bezeichnet eine Haltung, die sich konträr zum Male Gaze stellt. Der Begriff des Male Gaze wurde in den 70er Jahren in der Film- und Werbeindustrie bekannt. Gemeint ist, dass in Filmen oftmals Frauen nicht als Hauptdarstellerinnen agierten, sondern das unterstützende Beiwerk des Mannes waren. Auch wenn sich in der Autowerbung eine leicht bekleidete Frau auf der Kühlerhaube räkelte, war nicht sie die umworbene Kundin; vielmehr sollte der kaufende Mann angesprochen werden.
Und in der Kunst verhielt es sich lange Zeit nicht anders. Nicht umsonst stellten die Guerilla Girls die Frage, ob Frauen nur dann ins Museum gelangen, wenn sie nackt sind.
Meret Oppenheim war als schöne Nackte auf der Fotografie Man Ray´s bekannter, als für ihr erst heutzutage hochgelobtes, eigenes künstlerisches Werk. Obwohl sie schon früh als Kreative Teil des Kreises der Pariser Surrealisten war.
Louise Bourgeois, die ebenso fast ein ganzes Jahrhundert als Kunstwirkende gearbeitet hatte, erhielt erst im hohen Alter dafür internationale Anerkennung.
Gerade Louise Bourgeois gab mit ihren Arbeiten einen Blick auf weibliche Themen wieder, den vielleicht nicht jeder sehen wollte. Ihre monumentale Spinnenfiguren repräsentieren die Ambivalenz einer Mütterlichkeit, welche den Nachwuchs nicht nur versorgen, sondern auch verspeisen könnte.
Künstlerinnen spiegelten zudem in ihrer Performancekunst den entwürdigenden Aspekt des Betrachtetwerdens. In „Rhythm 0“ ließ sich Marina Abramović von ihrem Publikum mit unterschiedlichen Gegenständen (von der Feder, über das Messer, bis zur Pistole) berühren oder gar verletzen. Der Betrachter wurde so von der Künstlerin aus dem Schatten der vermeintlichen voyeuristischen Passivität in das aggressive Handeln gegen das ,Objekt‘ geführt.
Mit dem Female Gaze erobern sich Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper und ihr Leben zurück. Damit schaffen sie eine neue Perspektive auf ihr Werk und die darin enthaltenen ästhetischen und gesellschaftlichen Themen.

Mich interessiert die Projektionsfläche, die weibliche Figuren speziell im kirchlich-religiösen Kontext bieten?

Drei Frauen spielen eine entscheidende Rolle in der christlichen Lehre.

  1. Eva, im Alten Testament, die Adam verführte und damit die ganze Menschheit zu Fall brachte.
  2. Maria, die Mutter Gottes im Neuen Testament, die jungfräulich Gott selbst empfing und zur Welt brachte.

Maria Magdalena, die eine „gefallene Frau“ war, aber von Jesus Christus selbst als Jüngerin in seinen Kreis mitaufgenommen wurde. Sie war die erste Frau/der erste Mensch, der Jesus nach seiner Auferstehung begegnete. Allerdings warnt der Auferstandene Maria Magdalena davor, ihn zu berühren. Wohingegen der ungläubige Thomas seine Finger in Christi Wunden legen darf.
Als Projektionsfläche bewegen sich weibliche Figuren (in der christlichen Religion) einerseits zwischen dem jungfräuliches Sehnsuchtswesen, verkörpert in der Mutter Gottes, die den Messias durch den Heiligen Geist empfängt. Und andererseits als Verführerin Eva, die die Unschuld, beziehungsweise Reinheit des Mannes gefährdet, sowie Maria Magdalena, die den Menschen Jesus zwar salben, aber den auferstandenen Heiland nicht berühren darf.Zudem gilt die christliche Gemeinde, beziehungsweise Kirche, laut der Paulusbriefe, als die Braut Christi, vereint als ein Leib. Paulus fügt hinzu, dass Christus das Haupt, die Gemeinde der Leib sei und leitet daraus ab, dass in der Ehe der Mann das Haupt und die Frau der Leib wäre, was die patriarchalen Voraussetzungen des christlichen Glaubens zementiert.

Weiter würde ich gerne wissen, was einzigartig an der Maria-Darstellung ist? 

Maria ist eine Figur, die den Kreislauf des Lebens widerspiegelt.
Als Mutter Gottes sieht man sie mit dem Jesuskind, in inniger Verbindung, sie hält Gott in ihren Armen, ist die Gottesgebärerin.
In den Pietà-Darstellungen wird Maria zur Mater Dolorosa, als Schmerzensmutter gezeigt. Sie bettet den Leichnam Christi auf ihrem Schoß.
Somit begleitet die Mutter Gottes ihren Sohn in und aus der Welt. Leben und Tod liegen in ihrem Schoß.
Desweiteren wird gerade in der östlichen Kirche Maria selbst als Himmelsgöttin dargestellt. Häufige Attribute sind der
Kranz mit zwölf Sternen um ihr Haupt und die Mondsichel zu ihren Füßen. Als Himmelskönigin kann sie auch ein Zepter und eine Erd- bzw. Weltkugel halten.

Gibt es einen Unterschied zwischen Maria und Madonna?

Ein Bildnis wird meist dann als Madonnenbild oder -figur bezeichnet, wenn die Gottesmutter mit dem Jesuskind gezeigt wird. Ein Marienbildnis kann sowohl Maria mit dem Kind im Arm, als auch als eine allein für sich stehende Heilige darstellen.

Gibt es andere vergleichbare Figuren im kirchlichen Kontext?

Im römisch-katholischen Kontext gilt Maria als eine Heilige, zu der gebetet werden kann. Ihre Statuen und Bilder sind meist mit Reliquien ausgestattet, die dem Glauben nach, Wunder bewirken können. Ein kompliziertes Procedere überprüft die Authentizität dieser Wunder. Nicht nur Maria ist eine der Heiligen, die bei Fürbitten in der Not helfen kann. Über die letzten zweitausend Jahre sind unzählige andere Fürsprecher*innen, ebenso mit wunderwirksamen

Reliquien ausgestattet, außerbiblisch dazugekommen. Frauen und auch Männer, die als Märtyrer gelitten, auf wundersame Weise Menschen geholfen, oder Ungläubige bekehrt haben sollen. Um nur einige zu nennen: Ursula von Köln mit ihren elftausend Jungfrauen, Franz von Assisi, der mit Tieren sprach und Bernadette de Lourdes, der Maria erschien. Bei dieser Erscheinung fand Bernadette eine Wasserquelle, die bis heute Menschen heilen soll.

Meine persönliche Favoritin ist die Karmeliternonne: Teresa von Avila, die so mit dem Heiligen Geist erfüllt gewesen sein soll, dass sie unter der Decke schwebte. Neun Monate nach Teresa von Avilas Tod wurden die irdischen Überreste der Heiligen hervorgeholt. Ihr Leichnam war jungfräulicher als der der Mutter Gottes. Keine Verwesung und sie duftete nach Rosen. Man verteilte die Überreste als Reliquie auf viele Kirchen. Der spanische Diktator Franco nahm z.B. ihre Hand an sich, bewahrte sie an seinem Bett auf und starb mit ihr. Die Nonnen holten sich die Hand nach Francos Tod zurück. Bis heute wird diese in einem silbernen, reich verzierten Handschuh in einer Kirche in Ronda/Andalusien aufbewahrt.Was heißt die Omnipräsenz von Maria (am Straßenrand, in der Kirche, an Pilgerstätten, im Kontext von Schmuck und Devotionalien) für weibliche Identitätsbildung unter Christinnen?

Die Götter und Göttinnen der sogenannten Heiden, denen das Christentum meist aufgedrängt wurden, haben bekannterweise

ihren eigenen Weg in die vorgegebene Frömmigkeit gefunden. Dazu gehört im ganz großen Maße die Marienverehrung. Leider wurde die Stärke, die diese Frauen in Form von Fruchtbarkeit, als erfolgreiche Jägerinnen und Inbegriff der Weisheit, abgesprochen. Angebetet wurde fortan nur die Empfängnis der Mutter Gottes. Diese wurde nicht in ihrer Opulenz gefeiert, sondern keusch und jungfräulich inszeniert.

In Folge dessen werden bis heute Mädchen zu ihrem zehnten oder elften Lebensjahr als weißgekleidete Bräute zur Erstkommunion an den Altar geführt, wo sie die Hostie, den Leib Christi, empfangen. Weiß als Farbe der Unschuld gibt diesen Mädchen vor, dass sie sich vor der Sünde bewahren müssen. Wenn es um die Identitätsbildung geht, so wird in allen Darstellungen Marias Reinheit, der nachzueifern ist, vorgegeben. Desweiteren wird Maria stets ernsthaft und leidend gezeigt. Ihre Statuen bluten und weinen. Gerade das Phänomen der Stigmatisierung, (Auftreten von Wunden am Körper eines lebenden Menschen) erleb(t)en vor allem Frauen. Wenn man dies psychologisch interpretiert, so könnte man meinen, dass die Stigmatisierung erstens der Frau eine Aufmerksamkeit geben kann, die ihr sonst in der patriarchalen Welt nicht zuteil wird und zweitens unterstreicht die per se „gefallene Frau“ mit dem offensichtlichen Leiden ihre Reinheit.

All die Bildnisse, Rosenkränze, Medaillons mit dem Abbild der Mutter Gottes werden in der Regel als Schutzfunktion und für die Fürbitte genutzt. Der Weiblichkeit selbst wird damit nicht gehuldigt.

Hat die Mariendarstellung für unsere heutige Bildwelt noch Relevanz?

In den 80er Jahren wurden Rosenkränze, Mariendarstellungen, Kreuze (umgedreht, aber auch „richtigherum“) vor allem in der Darkwaveszene als Ausdruck düsterer Romantik genutzt.

Die Popsängerin Madonna (schon der Name ist Programm) trieb das Spiel auf die Spitze, indem sie sich in Dessous gekleidet und mit Rosenkränzen behangen, in ihren Videos auf dem Bett räkelt und von dem Genuss sich wie eine Jungfrau zu fühlen, singt. Lenny Kravitz trug Rosenkränze und inszenierte sich als ein sexy Jesus. In den 90er Jahren mischten sich Mariendarstellungen mit Bollywoodästhetik und bis in die Nullerjahre hinein wurden ikonografische Marienbilder auf T-Shirts und Kleidern getragen. Schon lange war es kein Tabubruch mehr, da die Kirche ihren Einfluss in der westlichen Welt stark eingebüßt hat.

Mir erscheint es so, als wenn in den letzten zwanzig Jahren weniger Mariendarstellungen im modernen Kontext genutzt werden. Dennoch fallen mir zwei sehr unterschiedliche aktuelle Marienreferenzen ein: 1. Die „Bitch Bibel“ von Katja Krasavice und die Graphic Novel „I´m every Woman“ von Liv Strömquist. Bei der „Bitch Bibel“ handelt es sich um die Autobiografie der Sex-Youtuberin. Liv Strömquist setzt sich in ihrem Sachbuch mit dem Mythos des männlichen Genies auseinander, indem sie die Geschichte aus weiblicher Perspektive umschreibt.

Können Sie sich vorstellen, warum der Regisseur und Bühnenbildner Herbert Fritsch der CARMEN eine MARIA beistellt?

Carmen steht für eine freiheitsliebende, verführerische Frau. Ganz das Gegenteil zu dem, was die Figur Maria ausmacht. Maria gilt als Fürsprecherin für die Menschen.

Das Ave-Maria Gebet: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes“ kann auf die Handlung der Oper hinweisen, bei der Carmen im letzten Akt von José ermordet wird. Die weibliche Kraft, mit der Carmen die Männer verrückt macht, wird von Marias Fürsprache ausgeglichen.

Ich würde mir wünschen, dass Maria am Schluss eine Predigt hält, in der Carmen rehabilitiert und die Freiheitsliebe als natürlicher und nachzueifernder Wunsch propagiert wird.

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© Silke Tobeler

Vom scheinbaren Replikat zur Hommage

Ich finde, es gibt zu wenige Replikate in der Kunst. Jede*r will etwas neu machen – der oder die erst*e sein.
Dabei kann mir keine*r erzählen, dass er/sie immer das Rad neu erfunden hat.

Ich finde, es gibt zu wenige Replikate in der Kunst. Jede*r will etwas neu machen – der oder die erst*e sein.
Dabei kann mir keine*r erzählen, dass er/sie immer das Rad neu erfunden hat.
Meine Erfahrung sagt mir, dass Menschen über Imitation lernen. Man macht nach. Menschen beobachteten Vögel, die mit ihren Flügeln flatterten, erkannten, dass man wohl eine Spannweite zum Fliegen braucht und dementsprechend haben sie Flugzeuge gebaut.

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© Mehdi Sepehri – Unsplash

Warum sollte das in der Kunst oder Literatur anders sein?
Ein*e Künstler*in, eine Literat*in beginnt sich für die Materie zu begeistern, in dem sie erst das sieht, oder liest, was sie ergreift, dann entsteht die kreative Unruhe und man beginnt zu malen, bildhauen, fotografieren und/oder zu schreiben. Es dauert dann eine Weile, bis man sich vom Vorbild löst und etwas eigenes entwickelt. Was spricht dagegen, ein Kunstwerk eins zu eins nachzubauen oder noch interessanter: zu verfremden?

Musiker*innen pflegen schon lange diese Tradition. Nichts anderes ist eine Coverversion eines Songs. Gerade auf Konzerten entsteht an dieser Stelle ein erhebender Moment. Der/die Künstler*in kniet musikalisch vor seinem/ihren Vorbild ihrer/seiner Inspiration und interpretiert das Stück neu. Einer meiner Favoriten ist der Song „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Divison, interpretiert von den Swans. Mir gefällt diese Version (ehrlich gesagt) noch besser, als das Original.
In diesem Moment entsteht eine Hommage. Und da ich überzeugter Fan von vielem bin, freue ich mich auch, wenn ich so etwas in der Kunst entdecke.

Hier kommt DOROTHEE GOLZ ins Spiel, die MERET OPPENHEIMs legendäre Felltasse mittels Glasfaser neu interpretiert hat.

Hier das Vorbild FRÜHSTÜCK IM PELZ

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© Silke Tobeler

Meret Oppenheim griff für ihre Werke Alltagssituationen auf, wie z. B. im Werk „Frühstück im Pelz“, bei dem sie den kalt gewordenen Kaffee zum Sujet gemacht hat. Das Werk wurde zu einem der Leitwerke des Surrealismus. Déjeuner en fourrure („Frühstück im Pelz“). 1936, Museum of Modern Art, New York.
Auf diesem Foto seht ihr ein Replikat des Werkes, das mir geschenkt wurde.

Und hier Dorothee Golz:

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© Tim Tobeler

DIESE TASSE IST EINE TASSE, KEINE TASSE
Schon der Titel ist eine Hommage: Ceci n’est pas une pipe– „Das ist keine Pfeife“ nach einem Werk von Renée Magritte aus dem Jahr 1929. Auch ein Surrealist.

Dorothee Golz hat mit ihrer Hommage ein tolles eigenes Werk geschaffen.

Ich bin mir sicher: Meret Oppenheim würde das freuen!

Info (frei nach Wikipedia)
Dorothee Golz *1960 ist eine deutsch-österreiche Künstlerin. Internationale Bekanntheit erreichte Golz 1997 durch die Teilnahme an der documenta X in Kassel, auf der sie die Skulptur Hohlwelt (1996) zeigte. Neben Skulpturen und Kleinplastiken sind Fotografie und Zeichnung ihre wichtigsten Ausdrucksmedien

Meret Oppenheim *1913 – 1985 war eine in Deutschland geborene schweizerische Künstlerin und Lyrikerin. Oppenheim hat die Rolle der Frau als Muse ebenso reflektiert wie das Weibliche im Werk von männlichen Kunstschaffenden.

In einem Gespräch von 1972 äusserte Oppenheim die Devise „Don’t cry, work“. Der deutsche Schriftsteller Rainald Goetz verwendete das Zitat 1983 als Untertitel seines Romandebüts Irre, was es zum geflügelten Wort werden liess.

Auch eine Hommage…

*TOPIE – Performance – Eine Alternative zur schlichten Lesung

Umso mehr, wünschen sich die meisten Autor*innen, dass ihr Text sichtbar – greifbar wird. Das zu vollziehen ist schwieriger, als zumindest ich es mir gedacht habe.

Bücher und Texte zu schreiben ist eine einsame Sache. Selbst wenn es eine Kollaboration gibt, so sind oft Stunden darin investiert, alleine am Schreibtisch zu sitzen und das, was durch den Kopf und das Herz geht, in die Tastatur zu hacken. Das ist nicht weiter schlimm. Ich kann es auch genießen. Viele Jobs werden so vollzogen.

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© Glenn Carstens Peters

Umso mehr, wünschen sich die meisten Autor*innen, dass ihr Text sichtbar – greifbar wird. Das zu vollziehen ist schwieriger, als zumindest ich es mir gedacht habe.

Wenn jemand malt, können alle, die über gesunde Augen verfügen, das Bild sehen. Man hat ein Ergebnis. Ein Musikstück zu komponieren, führt dazu, dass man es anhören kann.
Beim Schreiben, verlangt man dem anderen viel Aufmerksamkeit ab, um das Ergebnis auf sich wirken zu lassen. Lesen erscheint mir mehr Arbeit für den Rezipienten zu sein, als bloßes Schauen oder Zuhören.

Und doch wird für die meisten Schreibenden ihre Arbeit erst dann wirklich, wenn es ein gedrucktes Buch gibt. Oder bei einer Lesung der Text hörbar wird.

Als Autorin denke ich oft darüber nach, wie es den Zuhörenden geht, wenn ich vor ihnen lese. Denn auch ich, als Publikum in einer Lesung, merke hin und wieder, dass meine Aufmerksamkeit flöten geht. Das kann man dem Publikum nicht verdenken. Aus diesem Grund sind unter anderem Poetry Slams entstanden.

Aber das kann ja nicht das einzige Format sein, hat sich Kathrin Assauer vielleicht gedacht. Kathrin hat mit anderen den Kunst-Off-Space: GEH8 in Dresden initiiert und ermöglicht dort Künstler*innen unterschiedlicher Disziplinen ihrer Kreativität nachzugehen und diese zu präsentieren.

Für das Jahr 2023 entwickelte sie das Dreiteilige Projekt:

*TOPIE – Space is the Case – Publikation – Performance – Ausstellung

Vierzehn Autor*innen aus ganz Deutschland und aus dem Iran verfassten Texte in Form von Kurzgeschichten, Gedichten, Traktaten und Auszügen aus Romanen, die für die Anthologie bearbeitet und erweitert wurden.

Daraus ist ein großartiges Buch entstanden

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…mit Zeichnungen von André Tempel, der auch das Bühnenbild für – und hier kommt die zweite Säule des Projekts – die Performance gestaltete.

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Zudem schrieb Kathrin Assauer aus all den Texten ein Libretto und entwickelte mit den Komponisten Alberto Arroyo und Samir TimajChi eine Komposition.

Dirigiert und einstudiert von Olaf Katzer, werden Passagen des Librettos überlagernd gesungen und gesprochen. So wachsen die Texte ineinander und werden eins, unterbrochen durch die kurzen „konventionellen Lesungen“ der einzelnen Autor/-innen.

Kathrin Assauer

Wir haben mit dem Ensemble Auditiv Vokal Dresden und dem Komponisten/Dirigenten Alberto Arroyo geprobt

Uns über das Buch gefreut

Und auf diesen Abend hingearbeitet…

Die Autorin, Intitatorin, Librettoschreiberin, Buchgestalterin und Kuratorin: Kathrin Assauer applaudiert und Mitglieder des Ensembles Auditiv Vokal Dresden geben den Texten ihre Stimme vor dem Bühnenbild von André Tempel.

Auf jeden Fall haben wir am 22. September 2023 vierzehn unterschiedliche Texte für Ohren, Herz, Hirn und Bauch hör-, sicht- und fühlbar gemacht.
Alles vibrierte…

Dieses dreiteilige Format, insbesondere die performative Lesung, soll als Format etabliert und weitergeführt werden.

…schreibt Kathrin Assauer als RE-SONANZ zum Ende des Buches *TOPIE.
Das wäre auch mein Wunsch. Mehr Möglichkeiten zu erforschen, um Texten eine Bühne zu geben.

…also mache ich mich auf den Weg zu meinem einsamen Schreibtisch, um neue Texte zu entwickeln, die ihren Weg nach außen suchen…

Vielen Dank, liebe Kathrin Assauer, für die Einladung Teil deines Projektes zu sein!
Und Merci Dorothee Schröder, Martina Lenz, Grisella Kreiterling, Marc Matthies, Astrid Stähler, Anja Schwennsen und Ruth G. Gross für die Fotos und, dass wir „Schreibbuddies“ sind.
Terima Kasih, lieber Tim Tobeler, für die Fotos… (as always…)

FEMALE GAZE goes funky

Ich mag genau diese Unberechenbarkeit und diese Anarchie, die in uns Frauen steckt. Mit meiner Arbeit möchte ich dem Weiblichen mehr Sichtbarkeit verschaffen und Freude und Stolz an der eigenen Sinnlichkeit vermitteln.

Oh lá lá, die funky-Jugendreporterin Sophie Bley hat ein Interview mit mir über den Female Gaze geführt…
Lest gleich hier, was ich auf die klugen Fragen der funky-Jugendreporterin Sophie Bley antworte
(c) Silke Tobeler

Silke Tobeler ist Autorin und wirft in ihrem Blog „Female Gaze“ einen weiblichen Blick auf Kunst, Literatur, Film und Ausstellungen. Inspiriert durch die weibliche Wahrnehmung von Ästhetik und auf der Suche nach revolutionärer Kunst, lädt sie zum Dialog ein. Welche Bedeutung hat der „Female Gaze“ in politischen und sozialen Zusammenhängen? Möchte dieser Blick den Spieß lediglich umdrehen und Männer objektifizieren? Über diese Fragen spricht die Autorin im Interview.
(Vorstellung: Sophie Bley
Fragen: Sophie Bley
Antworten: Silke Tobeler)

Liebe Silke, der Begriff „Female Gaze“ wird unterschiedlich interpretiert. Was bedeutet er für dich und welche Rolle spielt er in deiner Arbeit als Autorin und Kunstfreundin?
Für mich ist der „Female Gaze“ eine Haltung. Es geht darum, dass unsere Welt so gut wie immer aus der Perspektive der Männer dargestellt wird. Mein Anliegen ist es, das Ganze zu erweitern, um dem weiblichen Blick eine höhere Relevanz in unserer Gesellschaft zu schenken. An vielen Punkten leben wir bereits in einer gleichberechtigten Gesellschaft, aber sie ist aus dem gemacht, was Männer lange vorgegeben haben. Mir ist klargeworden, dass Frauen in der Kunst durchaus ein beliebtes Motiv sind, sie selbst aber selten die Schaffenden sind. Der Begriff „Female Gaze“ ist für mich eine Art Überschrift meiner eigenen Arbeit als Autorin und Bloggerin, mit der ich auf die weibliche Position und den weiblichen Blick aufmerksam machen möchte.

Was hat dich dazu inspiriert, deinen Blog „Female Gaze“ ins Leben zu rufen?
Mich hat schon immer interessiert, wie Künstlerinnen und Künstler arbeiten und wie Kunst entsteht. Die Idee hinter dem Blog war, dem Ganzen eine Bühne zu geben. Ich war zwar schon immer Feministin, aber lange auch der Auffassung, dass wir bereits in einer relativ gleichberechtigten Welt leben. Erst als ich Kinder bekommen habe und mein Leben plötzlich wirkte, als wäre ich in die 50er-Jahre zurückversetzt worden, veränderte sich mein Blick. Gebunden an die Erziehung meiner Kinder und den Haushalt wurde mir klar, dass die Welt zwar durch unsere Gesetzeslage emanzipiert wirkt, die Umsetzung von Gleichberechtigung jedoch noch nicht so weit ist, wie ich dachte. Diese Feststellung hat mich motiviert, mich in meinem Blog für Emanzipation stark zu machen. Der Ted Talk von Joey Soloway „The Female Gaze“ hat mich inspiriert, meinen Blog auch so zu nennen.

Mit meiner Arbeit möchte ich dem Weiblichen mehr Sichtbarkeit verschaffen und Freude und Stolz an der eigenen Sinnlichkeit vermitteln.

Du sagst von dir selbst, dass du mit einem weiblichen Blick auf Kunst, Kultur, Literatur, Medien und Unternehmen aller Art schaust. Was begeistert dich an der weiblichen Perspektive?
Ich habe mich lange gefragt, wie überhaupt ein Patriarchat entstehen kann, das die Hälfte der Menschheit ausschließt. Eine Theorie, auf die ich öfter gestoßen bin, ist, dass die Fähigkeit der Frauen, Leben zu schenken, bei den Menschen Angst auslöst, die das nicht tun können. Angst hat häufig dominantes und kontrollierendes Verhalten zur Folge, sodass Frauen den Stempel aufgedrückt bekommen haben, sie seien unberechenbar und anarchisch. Ich mag genau diese Unberechenbarkeit und diese Anarchie, die in uns Frauen steckt. Mit meiner Arbeit möchte ich dem Weiblichen mehr Sichtbarkeit verschaffen und Freude und Stolz an der eigenen Sinnlichkeit vermitteln. Mein Ziel ist es auch, zu untersuchen, was es braucht, um sich aus den zerstörerischen Elementen unserer Gesellschaft zu lösen, die auf Ausbeutung, Ausgrenzung, Profit und Gier ausgerichtet ist. Denn Frauen hatten in der Geschichte kaum Möglichkeiten dazu.

Wie wir die Gesellschaft sehen, hat viel mit Bildern zu tun, die uns im Alltag begegnen. Warum ist der weibliche Blick in diesem Zusammenhang wichtig?
Frauen verfügen erst seit rund hundert Jahren über grundlegende Rechte, wie beispielsweise wählen oder studieren zu können. In der Kunstbranche mussten sich Frauen zwischen einem Leben als Künstlerin oder Mutter entscheiden. Der „Female Gaze“ möchte aus dieser Norm ausbrechen und Lebensgestaltungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Außerdem hat der „Female Gaze“ Relevanz in Bereichen der Städteplanung, Sicherheitsvorkehrungen oder Gesundheit. Medikamente sind in ihrer Dosis in der Regel auf Männer ausgerichtet und Anschnallgurte in Autos sind für einen typisch männlichen Körperbau konzipiert. Der „Female Gaze“ kann hier neue Lösungsansätze finden und die Bedürfnisse aller Menschen genderkonform in gesellschaftliche Entscheidungen und Lebensgestaltungen miteinbeziehen.

Welche Kritik übst du an dem „Male Gaze“?
Ich kritisiere ganz klar die Arroganz und die Egozentrik des „Male Gaze“. Es gibt so viele verschiedene Menschen auf dieser Welt mit einzigartigen Lebensgeschichten, denen der „Male Gaze“ eine einzige Perspektive aufdrückt. Letztendlich spielt hier vor allem der Kapitalismus eine Rolle, an den das Patriarchat eng gekoppelt ist. Denn Männer fürchten in diesem Zusammenhang Macht und Möglichkeiten zu verlieren. Der weibliche Blick möchte jedoch niemanden in seinen oder ihren Rechten einschränken, sondern gemeinsam an Lösungen arbeiten, wie alle Menschen gleichberechtigt leben können – und dazu gehören natürlich auch Männer.

Diversität nimmt in der Kunst immer mehr Platz ein.

Der Ansatz des „Female Gaze“ ist es also, das Dogma „Male Gaze“ zu sprengen und in der Gesellschaft mehr Diversität zu zeigen. Siehst du in der Kunst, in den Medien und in unserer gesellschaftlichen Auffassung von Ästhetik positive Entwicklungen in diese Richtung?
Diversität nimmt in der Kunst immer mehr Platz ein. In Museen und Ausstellungen sind zunehmend Kunstwerke weiblicher Künstlerinnen zu finden, queere Personen oder Menschen mit Migrationshintergrund sind für Film- und Kunstpreisverleihungen nominiert und Diversität rückt immer mehr in den Fokus. Darüber hinaus hat sich die Sprache rund um dieses Thema weiterentwickelt. Es wird differenzierter über die weibliche Sexualität oder Menstruation gesprochen, Probleme wie die Gender-Pay-Gap oder Care-Arbeit werden benannt und kritisiert. Auf diese positiven Veränderungen müssen allerdings auch Taten folgen.

Kann der „Female Gaze“ in Kunst und Medien auch von Männern eingenommen werden?
Ich bin davon überzeugt, dass alle Menschen vom „Female Gaze“ profitieren können – auch Männer. Dem Anliegen, das Dogma des „Male Gaze“ zu erweitern, kann jeder Mensch nachgehen. Jeder Schritt in diese Richtung ist eine Bereicherung und jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, von der Sexualität oder der Herkunft, kann sich dafür stark machen.

Welche Bedeutung hat der „Female Gaze“ deiner Meinung nach für junge Generationen?
Um die Bedeutung des „Female Gaze“ zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit der dritten Welle der Frauenbewegung auseinanderzusetzten. Diese ist im Gegensatz zu früheren Frauenbewegungen deutlich offener und setzt sich für mehr Selbstbestimmung und Diversität ein. Feminismus kann unterschiedlich interpretiert werden. Der „Female Gaze“ möchte jedoch betonen, dass Menschen nicht vorgeschrieben werden sollte, wie sie auszusehen haben oder wie sie ihre Sexualität ausleben sollten. Ich möchte jungen Menschen mitgeben, dass sie wachsam bleiben und weiterhin für ihre Rechte kämpfen, denn diese sind immer noch keine Selbstverständlichkeit.

Hast du als Expertin für unsere Leserinnen und Leser Empfehlungen aus Kunst, Literatur oder Film, die eine weibliche Perspektive einnehmen, bzw. den Female Gaze widerspiegeln?
Hier ein paar Empfehlungen für die Leserinnen und Leser, die am weiblichen Blick in Kunst, Film und Medien interessiert sind:

  • „Der Ursprung der Welt“ von Liv Strömquist: Ein Sachbuch über die Vulva. In diesem Buch geht es von Frauen in der Bibel über Freud und unbeholfenen Biologieunterricht bis hin zu aktuellen Tamponwerbungen.
  • „Transparent“ von Joey Soloway: Eine Serie, die die großen Fragen der Identitäten Mann, Frau und Divers im Familienkontext abbildet.
  • „Sex Education“ auf Netflix: Eine Serie, die den „Female Gaze“ aus vielen Perspektiven von Teenagern, Müttern, Vätern, Männern, Frauen und queeren Personen darstellt.
  • Die Künstlerin Frida Kahlo: Sie war eine der ersten Künstlerinnen und Künstler, die ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Leid in den Vordergrund ihrer Kunst gestellt hat.
  • Die Künstlerin Meret Oppenheim: Eine Schweizer Künstlerin, die in ihrer Kunst viel mit Geschlechterrollen gespielt hat.
  • Die Arte-Dokureihe „Naked“: Hier geht es um unterschiedliche patriarchale Verhältnisse in der Kunst und in Gesellschaften verschiedener Länder.